Maße und Gewichte

Im Mai 1816 wurde die „Maaß- und Gewichtsordnung für die Preußischen Staaten“ veröffentlicht. In der Vorrede heißt es: „… daß Wir [König Friedrich Wilhelm] nöthig erachtet haben, der Unsicherheit in Maaßen und Gewichten, die bisher in Unseren Staaten den Verkehr erschwerte, durch feste Bestimmungen abzuhelfen."1).

Es dauerte einige Zeit, bis sich die neuen Maße und Gewichte durchgesetzt hatten. In der Grafschaft Wernigerode war der 01.06.1820 der entscheidende Tag, von dem ab hier nur noch nach den neuen Vorgaben gemessen und gewogen werden durfte2).

 

Wie in weiten Teilen Nordwestdeutschlands galten seit Alters her in der Grafschaft die Calenberger Maße. Und für diese und die alten Wernigeröder Gewichte hatte die gräfliche Regierung nach 1816 genaue Definitionen erarbeiten lassen, um sie mit den neuen preußischen Maßen und Gewichten ins Verhältnis setzen zu können3).

 

Dabei diente für Maße, wie seit dem 17. Jahrhundert allgemein gebräuchlich, die Pariser Linie als Referenzeinheit.

  • Ein Calenberger Fuß maß 128,427 Pariser Linien (28,97 cm) und war damit kürzer als der rheinische Fuß mit 139,13 Pariser Linien (31,39 cm).

  • Ein Meter entsprach 443,296 Pariser Linien, so 1791 von der Französischen Nationalversammlung festgelegt und bis zum Ende des 19. Jahrhunderts in Europa gültig4).

 

Die alten Wernigeröder Gewichte basierten auf der Cöllnischen Mark zu 65.536 Richtpfennigteilen5), wobei 280,5 Richtpfennigteile ein Gramm ausmachten.

 

Da der rheinische Fuß als preußischer Fuß das Grundmaß der neuen Ordnung bildete6), lassen sich mit Hilfe der Pariser Linie und der Richtpfennigteile die Calenberger mit den rheinischen bzw. preußischen und darüber hinaus mit den metrischen Maßen und Gewichten gut vergleichen; es ist allerdings ein wenig Rechenarbeit von nöten.

 

Wer genau maßnehmen möchte, der sei auf nachfolgende Tabellen verwiesen. Dabei bitte beachten: ein □ ersetzte seinerzeit die Vorsilbe Quadrat.

 

Das zum 01.01.1872 im Deutschen Reich eingeführte metrische Maß- und Gewichtssystem7) ist zwar jedermann bekannt, wurde aber dennoch mit aufgeführt, da die heute teilweise seltsam klingenden Bezeichnungen (in Klammern) nicht ganz in Vergessenheit geraten sollen.

 

Mit dieser neuen Maß- und Gewichtsordnung löste im Deutschen Reich das Dezimalsystem das Doudezimalsystem ab. Der Begriff Dezimalwaage für eine Sackwaage entstand wohl in dieser Zeit. Denn das war neu: feste Stoffe, wie etwa Getreide, mussten jetzt gewogen werden, während vorher ihr Volumen gemessen wurde.

 

Man lasse sich aber nicht täuschen, es war vor dem 20. Jahrhundert im täglichen Verkehr weder möglich noch nötig, so präzise zu messen, wie es die errechneten Werte nahelegen.

 

Ein gutes Beispiel für die Messgenauigkeit im Alltag stellt der unten abgebildete Zollstock dar, der um 1820 angefertigt worden sein muss, denn er enthält auf der einen Seite die Einteilung gemäß der Calenberger und auf der anderen die gemäß der neuen preußischen Längenmaße.

Auf der Calenberger Skala schwanken die Werte für den Zoll zwischen knapp 24 und gut 25 mm, der Fuß misst 29,5 cm. Auf der preußischen Skala liegen die Werte für den Zoll zwischen gut 26 und knapp 27 mm, der Fuß ist 31,3 cm lang.

 

Zollstock

 

In diesem Zusammenhang sind auch die Pluralformen der Einheitsbezeichnungen von Fuß und Zoll bemerkenswert, es hieß nämlich: zwei Fuße oder drei Zolle.

 

Halbscheffel

 

       

 

       Der nebenstehende preußische Halbscheffel ist

        in den letzten 150 Jahren etwas außer Form

        geraten, so dass sein Volumen heute nur 53,12

        dm3 beträgt.

 

 

 

 

 

 

Eichstempel

 

 

Immerhin erhielt er 1855 vom Eichamt in Halberstadt einen Prägestempel, der ihm damals

korrektes Maß attestierte.

 

 

 

Solch ein geeichter Scheffel wurde bereits im frühen 18. Jahrhundert im so genannten Rathaus, dem

Neuen Krug, vorgehalten, selbstverständlich seinerzeit nach Calenberger Maß.

 

 

Zum Abschluss für Liebhaber alter Maße und Gewichte: ein Kostenvoranschlag für eine Stallerweiterung auf dem Vorwerk Schauenteichen aus der Zeit um 18308).

 

zum Kostenvoranschlag

zur Kostenvoranschlag-Transkription

 

Hier geht es nun

zu den Längenmaßen Gf WR,

zu den Flächenmaßen Gf WR,

zu den Hohlmaßen für feste Stoffe Gf WR,

zu den Hohlmaßen für Flüssigkeiten Gf WR,

zu den Gewichten Gf WR,

zu den Erntemaßen Gf WR.

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H.-G. Krasberg 2021


Quellen und Literatur

1) Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, 1816, Nr. 356: Maaß- u. Gewicht-Ordnung für die Preußischen Staaten, Vom 16ten Mai 1816

2) Wernigerödisches Intelligenz-Blatt vom 27.12.1819: Verordnung vom 21.12.1819 über die Einführung neuer Gemäße und Gewichte

3) Landesarchiv Sachsen-Anhalt, MD, H 9-7, Nr. 348, Acta generalia der neuen Preussischen Maaß- und Gewichtsordnung vom 16. Mai 1816 auf die Grafschaft Wernigerode betr.

4) Seite „Pariser Linie“, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. April 2021, 20:37 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Pariser_Linie&oldid=210717030 (Abgerufen: 16. Juni 2021, 14:50 UTC)

5) Seite „Richtpfennig“, in: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 13. Mai 2018, 03:17 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Richtpfennig&oldid=177376792 (Abgerufen: 16. Juni 2021, 14:56 UTC)

6) Gesetz-Sammlung für die Königlich-Preußischen Staaten, 1816, Nr. 357: Anweisung zur Verfertigung der Probemaaße und Gewichte nach § 1 der Maaß- und Gewichtsordnung vom 16ten Mai 1816

7) Bundes-Gesetzblatt des Norddeutschen Bundes, 1868, Nr. 156: Maaß- und Gewichtsordnung für den Norddeutschen Bund. Vom 17. August 1868

8) Landesarchiv Sachsen-Anhalt, MD, H 9-27, L IX, Nr. 1, Bd. 1, Pachtvertrag u.a. Amt Wasserleben 1824, Blatt 142r - 144