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Straßen, Wege und Stege in und um Wasserleben

Wenn man sich mit Straßen, Wegen und Stegen im Rahmen der Regionalgeschichte beschäftigt, kann man viel Interessantes über den eigenen Ort erfahren.
 

Und es sind vor allem die Namen, die wichtige Aufschlüsse zum Alter, zur Funktion und zur Nutzung der alten Verkehrsverbindungen liefern.
 

In der Regel bestehen solche Namen aus einem Bestimmungswort und einem Grundwort1). Dabei liefert das Bestimmungswort Informationen über

- die Landschaft, die durchquert wird,

- die Ziele,

- die Benutzer,

- den Zweck,

- die Bodenbeschaffenheit oder

- die Höhenlage.

Das Grundwort verweist auf die Entstehung und die Bedeutung einer Verbindung.

 

Steg

 

 

Ein Stieg (auch Steg oder Steig) ist ein schmalen Pfad, den Fußgänger und Reiter benutzten2), kurz und gerade verlaufend3), in Abgrenzung zu anderen Verbindungen auch Fußsteig genannt4).

In Wasserleben wäre nicht zuletzt an den Katerstieg zu denken, der allerdings in vielfältiger Form vorkommt und durch Gärten oder über Höfe zum Nachbarn oder zum Nachbarn des Nachbarn führt, Was hier vielleicht verwirrt, kann sich in der Praxis als äußert nützliche Abkürzung erweisen.

 

 

Sollte auf einem solchen schmalen Pfad gefahren werden, musste man ihn dazu herrichten5). Ein Fahrweg entstand6), breiter als ein Fußsteig, auf dem neben Fußgängern und Reitern auch Fahrzeuge verkehrten7)

Beispiel eines mittelalterlichen Weges
Beispiel einer mittelalterlichen Staße

 

 

Aus einer Aneinanderreihung mehrerer Wege bildete sich dann eine Straße heraus, wenn so ein entfernteres Ziel erreicht werden konnte. Eine derartige Verbindung über Land war zielgerichtet8) und besser befestigt als ein Weg, zumindest in den Orten teilweise schon gepflastert9).

Bei den genannten Definitionen ist allerdings Vorsicht geboten.

 

Zum einen wurden Wege und Straßen bei Bedarf sicherlich auch ohne Rückgriff auf ältere Verbindungen völlig neu angelegt.

Zum anderen passen manche Grundwörter nicht, so war der westfälische Hellweg eine wichtige frühe Fernverkehrsstraße, und hier bei uns hieß ein kurzes innerörtliches Wegstück Schauensche Straate.

 

Besonders in Orten kamen und kommen nicht selten Namen ohne Grundwort vor, in Wasserleben beispielsweise Beek, Im Winkel oder Matzhöh.

 

 

Straßen

 

Über Straßen im Harzraum gibt es bereits aus dem Mittelalter Nachrichten10). Untenstehende Karte zeigt die Situation in der Umgebung von Wasserleben.   

MA Fernstraßen

Die älteste dieser Fernstraßen, die „herstrate“ oder die „olde strate“, führte von Goslar nach Halberstadt und verlief über den Altfelder Krug bei Abbenrode durch das Schauener Holz an Schauenteichen vorbei nach Wasserleben und weiter nach Langeln und Heudeber11)

Heer- oder Alte Straße im Schauener Holz
Heer- oder Alte Straße vor dem Schauener Holz
Ausgefahrene Fahrspuren

 

An den Steigungen im Schauener Holz ist heute noch gut zu erkennen, wie sich Pferdehufe und Wagenräder in die Erde gegraben haben. Wenn eine Fahrspur ausgefahren und so unpassierbar geworden war, entstand nebenan eine neue Fahrbahn. Da war man sehr pragmatisch.

Ausgefahrene Fahrspuren
Ausgefahrene Fahrspuren
Ausgefahrene Fahrspuren

 

Ein alternative Trasse der Alten Straße zweigte südlich von Abbenrode nach Stapelburg ab, führte, der heutigen Kreisstraße 1322 folgend, durch die Heringsmark nach Veckenstedt und erreichte über einen Feldweg Langeln12). Noch heute heißt dieser Feldweg, der die südliche Gemarkung von Wasserleben durchschneidet, Heerstraße.

 

Heerstraße Richtung Veckenstedt
Heerstraße Richtung Langeln
Braunschweiger Heerstraße

 

 

Schließlich die Braunschweiger Heerstraße, sie mündete, von Stötterlingen kommend, bei Schauenteichen in die Alte Straße. Ein westlicher Abzweig führte über heute umgepflügten Weg nach Veckenstedt und traf in Schmatzfeld auf die Quedlinburger Heerstraße13)

 

Während „herstrate“ und „olde strate“ sehr frühe eindeutige Bezeichnungen sind, führten Fernstraßen im späten Mittelalter dann keine charakteristischen Namen mehr14), sondern wurden oftmals schon im Nachbarort anderes genannt. So hieß die Alte Straße zwischen Altfelder Krug und Wasserleben später Wasserleber Straße, in entgegengesetzter Richtung aber Kaiserstraße, woran heute noch der Name eines anliegenden Flurstückes erinnert. Der südliche Abzweig der Alten Straße war zwischen Stapelburg und Veckenstedt als Goslarsche und zwischen Veckenstedt und Langeln als Halberstädter Heerstraße bekannt15).

 

 

Post- und Handelsstraßen

 

Bis zum ausgehenden 17. Jahrhundert hatten Fernstraßen vor allem militärische Bedeutung, daher eben häufig Heerstraße genannt16)

Aber über sie verkehrte später auch die Boten-Post.

 

Und es war vermutlich die Braunschweiger Heerstraße, die in der Grafschaft früh als Poststraße benutzt wurde. Denn die Boten-Post von Hamburg nach Nürnberg verlief von Hornburg kommend über diese Trasse nach Wernigerode und dann weiter über den Harz nach Süden17)

Im Jahr 1610 geschah auf dieser Straße übrigens ein Verbrechen, als der „Nürnbergische Bothe“ Andreas zwischen Schauen und Wasserleben „jemmerlich ermordet“ wurde18).

 

Erst im ausgehenden 17. Jahrhundert scheint diese Fußboten-Post in eine Fahrpost umgewandelt worden zu sein19). In dieser Zeit bildeten sich in ganz Deutschland die Territorialstaaten heraus und funktionierende „Communicationswege“ wurden für eine effektive Verwaltung nun unverzichtbar20)

Fernstraßen um 1700

In der Grafschaft Wernigerode übernahmen die alten Heerstraßen die Funktion der Communicationswege". Nur zwei neue überörtliche Straßen entstanden in diesem Zusammenhang im 18. Jahrhundert zusätzlich und verbanden Veckenstedt und Langeln mit Wernigerode.

Von der Bedeutung der „Communicationswege“ zeugen nicht zuletzt die ersten Wegweiser (gelbe Doppelpfeile in obiger Karte), die 1699 auf Betreiben Preußens an wichtigen Kreuzungen und Abzweigungen aufgestellt werden mussten. Wasserlebens Wegweiser stand westlich von Schauenteichen, wo die Braunschweigische Heerstraße auf die Alte Straße traf.

 

Die Funktion der Straßen als Handelswege hatte anfangs wenig Gewicht. Wegen der hohen Kosten wurden auf ihnen meist nur wertvolle Produkte transportiert, etwa Genussmittel und Luxusartikel; Massengüter wie Salz und Metalle kamen, wenn immer möglich, aufs Schiff, denn die Wasserstraßen waren sicherer, schneller und bequemer21).

 

Chaussee mit Sommerweg

Als sich dann im 18. Jahrhundert das Manufakturwesen entfaltete und sich vorindustrielle Regionen herausbildeten, beschleunigte sich der Ausbau der Verkehrswege, auf denen nun vermehrt Rohstoffe und Fertigprodukte transportiert wurden22)

 

Es entstanden in Deutschland die ersten Chausseen oder Kunststraßen, wie sie auch genannt wurden.

Straßenzustand

Quellen und Literatur

 

1) Flechsig, Werner: Wegenamen im Harz und seinem nördlichen Vorland, in: Harz-Zeitschrift für den Harz-Verein, 14. Jahrgang, 1962, S. 137 

2) Stichwort „Stieg“ DWB Deutsches Wörterbuch von Jocob Grimm und Wilhelm Grimm – Online Version, Herausgeber: Universität Trier - Trier Center for Digital Humanities (TCDH) · Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Berlin, http://dwb.uni-trier.de/de (Zugriff am 05.01.2024) und Flechsig, Werner: Wegenamen im Harz und seinem nördlichen Vorland, in: Harz-Zeitschrift für den Harz-Verein, 14. Jahrgang, 1962, S. 138 und Krünitz, Johann Georg. Oekonomischen Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, Artikel „Steig“, Band 171, 1839. - Online Ausgabe der Universitätsbibliothek Trier http://www.kruenitz.uni-trier.de/ (Zugriff am 05.01.2024)

3) Zedler, Johann Heinrich (Hrsg.): Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschafften und Künste – Online-Version der Ausgabe Leipzig, Zedler, 1732-, Herausgeber: Bayerische Staatsbibliothek München und Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, 1731-1754, www.zedler-lexikon.de (Zugriff am 05.01.2024).„Stichwort: Fuß-Steig, Bd. 9, Seite 1211“

4) ebd., (Zugriff am 06.01.2024) „Stichwort: Weg, Bd. 53, Seite 937“

5) Stichwort „Weg“ DWB Deutsches Wörterbuch von Jocob Grimm und Wilhelm Grimm – Online Version, Herausgeber: Universität Trier - Trier Center for Digital Humanities (TCDH) · Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Berlin, http://dwb.uni-trier.de/de (Zugriff am 05.01.2024)

6) Zedler, Johann Heinrich (Hrsg.): Grosses vollständiges Universallexicon aller Wissenschafften und Künste – Online-Version der Ausgabe Leipzig, Zedler, 1732-, Herausgeber: Bayerische Staatsbibliothek München und Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, 1731-1754, www.zedler-lexikon.de (Zugriff am 06.01.2024).„Stichwort: Weg, Bd. 53, Seite 937“

7) Flechsig, Werner: Wegenamen im Harz und seinem nördlichen Vorland, in: Harz-Zeitschrift für den Harz-Verein, 14. Jahrgang, 1962, S. 138

8) Krünitz, Johann Georg. Oekonomischen Encyklopädie oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- und Landwirthschaft, Artikel „Straße“, Band 175, 1840. - Online Ausgabe der Universitätsbibliothek Trier http://www.kruenitz.uni-trier.de/ (Zugriff am 05.01.2024)

9) Stichwort „Strasze“ DWB Deutsches Wörterbuch von Jocob Grimm und Wilhelm Grimm – Online Version, Herausgeber: Universität Trier - Trier Center for Digital Humanities (TCDH) · Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Berlin, http://dwb.uni-trier.de/de (Zugriff am 05.01.2024) und Flechsig, Werner: Wegenamen im Harz und seinem nördlichen Vorland, in: Harz-Zeitschrift für den Harz-Verein, 14. Jahrgang, 1962, S. 138 f

10) Flechsig, Werner: Wegenamen im Harz und seinem nördlichen Vorland, in: Harz-Zeitschrift für den Harz-Verein, 14. Jahrgang, 1962, S. 139 

11) Amt Neustadt, 18. Jh., Historische Kommission für Niedersachsen (Hrsg.): Karte des Landes Braunschweig, 1962

12) Grosse, Walther: Geschichte der Stadt und Grafschaft Wernigerode in ihren Forst-, Flur- und Straßennamen, Wernigerode, 1929, S. 73

13) Reischel, Gustav: Geschichtliche Karte des Kreises Grafschaft Wernigerode 1912, in: Jacobs, Eduard: Wüstungskunde des Kreises Grafschaft Wernigerode, Halle, 1913

14) Flechsig, Werner: Wegenamen im Harz und seinem nördlichen Vorland, in: Harz-Zeitschrift für den Harz-Verein, 14. Jahrgang, 1962, S. 139 

15) Reischel, Gustav: Geschichtliche Karte des Kreises Grafschaft Wernigerode 1912, in: Jacobs, Eduard: Wüstungskunde des Kreises Grafschaft Wernigerode, Halle, 1913

16) Müller, Uwe: Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, Der Chausseebau in der preußischen Provinz Sachsen und dem Herzogtum Braunschweig vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts = Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 57, Berlin, 2000, S. 95

17) Seeger, A.: Aeltere Nachrichten über das Postwesen in der Grafschaft Wernigerode in: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Alterthumskunde, 6. Jahrgang, 1873, S. 183 f

18) ebd., S. 184

19) ebd., S. 187

20) Müller, Uwe: Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, Der Chausseebau in der preußischen Provinz Sachsen und dem Herzogtum Braunschweig vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts = Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 57, Berlin, 2000, S. 96

21) Müller, Uwe: Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, Der Chausseebau in der preußischen Provinz Sachsen und dem Herzogtum Braunschweig vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts = Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 57, Berlin, 2000, S. 97

22) Müller, Uwe: Infrastrukturpolitik in der Industrialisierung, Der Chausseebau in der preußischen Provinz Sachsen und dem Herzogtum Braunschweig vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die siebziger Jahre des 19. Jahrhunderts = Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Bd. 57, Berlin, 2000, S. 98