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Neuer Krug

Erster Neuer Krug

 

Der 17.01.1708 hätte für die Wasserleber Männer ein einschneidendes Datum sein können, aber dann kam doch alles anders.

 

Jahrelang schaute man schon neidisch auf die Nachbarn in Langeln, die eine zweite Schenke gebaut hatten1). Eine solche zweite Gaststätte versprach auch für Wasserleben eine Auffrischung und Bereicherung des Gemeindelebens.

 

Als Johann Dietrich Holzheuer aus Nöschenrode am oben genannten Datum die Erlaubnis erhielt, einen neuen Krug zu errichten, war man allerdings nicht amüsiert.

 

Denn aus einer eventuellen Verpachtung dieser neuen, gräflich privilegierten Schenke hätte die Gemeinde keine nennenswerten Einkünfte erzielen können; zudem durfte sie bei der Auswahl des Wirtes nicht mitbestimmen. Ihr wurde lediglich eine Art Vorkaufsrecht eingeräumt: sollte Holzheuer den Betrieb der Wirtschaft einstellen, konnte sie das Haus und die Schankgerechtigkeit erwerben2).

 

Irgendwie nicht verwunderlich, dass in den nächsten Jahren alles auf die Ausübung des Vorkaufsrechtes hinauslief.

 

Denn Holzheuer ist mit den Wasserlebern nie warm geworden3).

 

Er stand schnell im Rufe, für die Obrigkeit Augen und Ohren offen zu halten. Ferner verdächtigte man ihn, wohl fälschlich, unrichtige Maße zu verwenden.

 

Gemeinde und Einwohner boykottierten seine Gaststätte.

 

Die regelmäßig stattfindenden Gemeindeversammlungen wurden im Alten Krug abgehalten, und nur wenige haben ihr Bier bei Holzheuer gekauft. Wenn durchreisende Arme um Almosen und Herberge baten, verwies man sie an die Neue Schenke, das sei der Bettelkrug.

 

Zermürbt und finanziell ruiniert, verkaufte Holzheuer Gebäude und Schankgerechtigkeit schließlich Ende 1714 Anfang 1715 an die Gemeinde4). Über den Preis finden sich keine Angaben.

 

Aber auch weiterhin lag kein Segen auf dem ersten Neuen Krug.

 

Nach dem Kauf pachtete Michel Fahlberg die Schankgerechtigkeit, „…das bier solte [er] daselb aber auß seinem eigenen hause erschencken, und wolte die gemeinde Joh[ann] Ditrich Holtzheuers Wohnhauß vor sich behalten…“5).

 

Obwohl seine Gaststätte wohl besser besucht war, wirtschaftete er seinen Betrieb in den Ruin, vermutlich war die Jahrespacht von 50 Thalerna) nur für die Schankgerechtigkeit einfach zu hoch.  

 

Zudem hatte er Pech: am 03.01.1718 wurde in seinem Krug der 28-jährige Phielip Engelke „…von dem Tambur Engeln gestochen  mit dem degen, das er des anderen Tages Zwischen 5 und 6 uhr seinen Geist [hat] auf geben müßen…“6).

 

Michel Wendt, dem letzten Pächter der Schankgerechtigkeit des ersten Neuen Kruges, blieb der wirtschaftliche Erfolg ebenfalls versagt. Da sich seine Schulden bei den Wernigeröder Brauern häuften, ordnete der gräfliche Amtmann an, „…Wendten mit hülffe der Schützen in arrest [zu] nehmen…“7). Zwar behielt Wendt dann doch seine Freiheit, aber auf gräflichen Druck hin hob die Gemeinde 1734 seinen Pachtvertrag auf8).

 

Kurz zuvor hatte noch ein doppeltes Schützenfest stattgefunden, wobei eins von ihm und eins vom Schützenmeister des Vorjahres ausgerichtet wurde9); finanziell konnte Wendt diese Veranstaltung allerdings nicht mehr retten.

 

ehem. Predigerwitwenhaus um 1910

 

Wo sich Holzheuers erster Neuer Krug befunden hat, kann heute nur noch vermutet werden. Das Privileg von 1708 bezeichnet den Standort als "vor dem Dorfe, hinter dem Rohstiege" gelegen.

Am ehesten kommt ein ehemals gemeindeeigenes Grundstück auf dem Wittenberg mit der alten Nummer 169 in Frage. Das Gebäude, im 18. Jahrhundert als Predigerwitwenhaus genutzt, vermietete die Gemeinde später als Wohnhaus10).

Neuer Krug

Endgültiger Neuer Krug

 

Irgendwann in den 1720er Jahren wird in der Gemeinde erstmals darüber beraten worden sein, eine neue, eigene Gaststätte zu bauen.

 

Im Zuge mehrerer Tausch- und Kaufverträge in den Jahren 1733 und 1734 gelang es, in der Schauenstraße zwei Grundstücke zu erwerben; hier wurde nun der zweite Neue Krug errichtet11).

 

Merkwürdigerweise fehlen Hinweise auf den Termin seiner Fertigstellung oder Einweihung.

 

Doch indirekt könnte die Höhe der Pacht hierüber Auskunft geben12): bei Fahlberg und Wendt betrug sie für die Schankgerechtigkeit zwischen 45 und 50 Thalera), Hanß Freymann musste dann von Ostern 1737 bis Ostern 1738 auf einmal 80 Thaler zahlen13), sicherlich nicht nur für die Schankgerechtigkeit, sondern auch für das neue Gebäude und die Einrichtung.

 

„De öbberste Krauch“ nannte man die neue Gaststätte, später dann Gasthof „Zum braunen Hirsch“.

 


Anmerkung

a)  1 rthl (Reichsthaler) oder thl (Thaler) = 24 ggr (Gute Groschen) = 288 pf (Pfennig)

 

Quellen und Literatur

1) Heise, Wilhelm: Chronik des Dorfes Wasserleben, handschriftlich, unveröffentlicht, 4 Bde., Wasserleben, 1964, Bd. 1, S. 73

2)  Landesarchiv Sachsen-Anhalt, MD, H, Nr. 1020, Acta die Verpachtung der Gemeindegüter 1672, Blatt 73

3) Heise, Wilhelm: Chronik des Dorfes Wasserleben, handschriftlich, unveröffentlicht, 4 Bde., Wasserleben, 1964, Bd. 1, S. 75

4) ebd., S. 77

5) Landesarchiv Sachsen-Anhalt, MD, H, Nr. 1020, Acta die Verpachtung der Gemeindegüter 1672, Blatt 65r f

6) Kirchenbuch der ev. Kirchengemeinde St. Sylvestri Wasserleben, Band 1: Taufen, Heiraten, Beerdigungen, 1702-1749

7) Landesarchiv Sachsen-Anhalt, MD, H, Nr. 1020, Acta die Verpachtung der Gemeindegüter 1672, Blatt 127v

8) ebd., Blatt 119r ff

9) Landesarchiv Sachsen-Anhalt, MD, HA B 98, Fach 4-7, Nr. 33, Schützenwesen in der Grafschaft Wernigerode 1734, Blatt 30r ff

10) Landesarchiv Sachsen-Anhalt, MD, H, Nr. 1020, Acta die Verpachtung der Gemeindegüter 1672, Blatt 65r f

11) ebd., Blatt 107r ff

12) ebd., Blatt 65r - 119r

13) ebd., Blatt 138r